Skulptura TS Figürlicher Traunsteiner Barock. Die Traunsteiner Bildhauer des 17. und 18. Jahrhunderts

Vortrag von Albert Rosenegger

am 26. Jan. 2023 im Georgistüberl des Sailer Kellers

zusammengefasst von Gudrun Perchermeier

Fast 40 Zuhörer ließen sich vom bekannten Heimatforscher Albert Rosenegger, dem ehemaligen Kreisarchivar, in die Welt des Barock, wie sie sich im Traunsteiner Landkreis darstellt, entführen. Sein Vortrag beruht auf eigenen Untersuchungen, die sich auf Bomhards Arbeit stützen.

 Die barocken Werke, die aus Traunsteiner Werkstätten stammen und heute noch in den lokalen Kirchen zu sehen sind, schufen Kunsthandwerker mit beachtlichem Können. Der Traunsteiner Raum entwickelte sich zwar nie zu einem großen barocken Kunstzentrum; der bedeutendste Traunsteiner Künstler Balthasar Permoser feierte seine Erfolge auswärts und erlangte Berühmtheit in halb Europa; dennoch stellen die regionalen barocken Bildwerke ein wichtiges kulturelles Erbe unserer Heimat dar, das hohe Wertschätzung verdient und für die nachfolgenden Generationen erhalten werden muss.

 Der Referent erläutert die barocke Schaffensperiode in Traunstein, indem er fünf Bildhauer und ihre Werke vorstellt.

 Nach einem unschöpferischen Jahrhundert, in dem die Aufträge an auswärtige Künstler gingen, lässt sich Johann Mießgang aus Laufen 1663 in Traunstein nieder. Seinem Antrag auf Genehmigung stimmt der Stadtrat zu, mit der Empfehlung, eine Traunsteiner Bürgerstochter zu heiraten. Nach zehn Jahren zieht er allerdings wieder zurück in seine Heimat, möglicherweise lohnte sich die Werkstatt nicht.

Keins seiner Werke kann man zweifelsfrei zuordnen, allerdings gibt es typische Merkmale wie die ovalen Gesichter mit kugeligen Augen und die Sitzhaltung des Jesuskindes.

Die beiden Hochaltar-Figuren von 1667, die Heilige Anna und der Heilige Joachim, in der Urschlauer Filialkirche bei Ruhpolding zeigen die frühbarocke Epoche. Die Madonna mit dem Kind von 1671 in der Abendmalkapelle am Salinenberg in Traunstein (Bild 1) stellt ein typisches Mießgang-Werk dar. Auch in St. Johann in Vogling-Siegsdorf (segnendes Jesuskind), Marwang (Heiliger Benno oder Ulrich und Rupert), Hörgering-Eisenärzt (Heiliger Josef), Reit im Winkl (Pietà) und Erlstätt (Prozessionskruzifix in der Pfarrkirche) kann man Figuren bewundern, die ihm aufgrund bezeichnender Merkmale zugeschrieben werden.

 Ein Jahr nach dem Wegzug von Mießgang kommt 1674 Georg Pämer aus Rattenberg in Tirol von Reichenhall, wo er bereits als Bildhauer tätig war, nach Traunstein. Er richtet auf der Brunnwiese eine Werkstatt ein, die bis 1814 bestehen wird. Auch er schließt eine Ehe mit einer Traunsteinerin.

Fast 20 Werke aus seiner Produktion gibt es in der näheren Umgebung zu bewundern.

Eine großartige hochbarocke Komposition stellt der Altar der sieben Zufluchten von 1696  in der Pfarrkirche Grassau (Bild 2) dar; die Heiligen Matthias und Valentin weisen als typische Kennzeichen für diesen Meister des Hochbarock den gespaltenen Bart und den tiefsinnigen Blick auf. Auch der gesamte Schmuck der großen Mutterpfarrei Vachendorf entstammt Pämers Werkstatt: Die Figuren des Hochaltars und der Seitenaltäre von 1689/90 beeindrucken durch ihren weltentrückten, nach oben gerichteten Blick und den hingebungsvoll leicht geöffneten Mund. In Traunstein trifft man im Ettendorfer Kircherl (Altarfiguren und Kruzifix von 1689/90), im Heimathaus (Kopf eines Heiligen und Zunftmonstranz), in St. Oswald (Prozessionsstangen) und in der Salinenkapelle (Heiliger Rupert) auf seine Spuren. Leicht s-förmig abfallende Kleiderfalten und ein um die Hüfte geschwungener Gewandteil kennzeichnen seine Figuren. Auch der Pestheilige Rochus mit geöffneter Pestbeule in der Filialkirche von Bernhaupten passt stilistisch in diesen Werkzusammenhang. Die Fassadenfiguren aus Marmor an der ehemaligen Domstiftskirche Herrenchiemsee sind ebenfalls gesicherte Arbeiten Pämers. Die Säkularisation ging teilweise rüde mit seinen Produkten um: Sie wurden im Chiemsee versenkt und erst später wieder geborgen.

 Das Erbe von Meister Pämer übernimmt Georg Andreas Dietrich aus Reichenhall, der dessen Tochter Susanna ehelicht und mit ihr eine Bildhauerdynastie begründet, die in drei Generationen bis 1814 fortdauert. 1709 erwirbt er durch diese Heirat das Traunsteiner Bürgerrecht. 1735 übergibt er die Werkstatt an der Brunnwiese an seinen zweitgeborenen Sohn Johann Andreas, nachdem sein ältester Sohn Joseph als Bildhauer nach Neuötting weggezogen ist. Er selbst baut sich mit 55 Jahren zusammen mit seinem Gesellen Jakob Dibeller in Rosenheim eine neue Existenz auf, die dieser relativ erfolgreich weiterführt.

Seine Werke finden sich z.B. in der Pfarrkirche Halfing im Landkreis Rosenheim: Der dortige Marmoraltar von 1713/16 stand ursprünglich in St. Oswald in Traunstein und wurde 1733 verkauft, da man einen neuen Altar anfertigen ließ. In der hiesigen Pfarrkirche zeugen noch die Figuren der beiden hinteren Seitenaltäre, die von Handwerkern aufgestellt wurden, von seinem Schaffen: der Heilige Josef (Bild 3), Ignatius von Loyola und Anna mit Maria (1710/13). Als Steinmetz hinterließ er seine Spuren in Haslach mit den Marmorpfeilern der Friedhofstore (1718/20) und in Grassau mit dem schlafenden Putto auf dem Grabmal des Pfarrers Winkler (1715).

 Sein Sohn Johann Andreas Dietrich führt die Werkstatt weiter. Ab 1770 lässt sich ein Stilwandel feststellen, der darauf zurückzuführen ist, dass dessen Sohn Joseph die künstlerische Führung übernimmt; dieser wendet sich vom bisher gepflegten weichen Salzburger Barock ab und orientiert sich an der Münchner Hofkunst, die z.B. von Ignaz Günther geprägt ist.

Johann Andreas Dietrich schuf eins seiner bedeutendsten Werke 1749/54 mit dem figürlichen Beiwerk der Prunkkanzel von St. Georg in Ruhpolding (Bild 4);  die Kanzel selbst wurde von der Traunsteiner Kistlerwerkstatt des Johann Georg Pflaumer ausgeführt. Im südostbayerischen Raum findet man wohl kein besseres Stück. Die Reit-im-Winkler Pfarrkirche schmücken die Heiligenfiguren von St. Pankratius und St. Sebastian (1768). Besondere Weichheit der Formen zeigen die Figuren von 1738/40 am Hochaltar und am rechten Seitenaltar in der Pfarrkirche von Schleching. Die Pfarrkirche von Grassau bewahrt eins der schönsten Marienbilder: eine Immaculata mit dem Gesicht einer zeitgenössischen Schönen und im zeitmodischen Gewand (1766, Bild 5). Im Mai kann man sie in der Mitte des Altarraumes bewundern. Auch in Traunstein trifft man auf seine Spuren: Der Heilige Florian aus der Aukapelle stammt wohl aus seiner Werkstatt. Da die Künstler seit Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr auf ihren „Zunftraum“ beschränkt waren, findet man z.B. in dem schmucken Kirchlein und der Friedhofskapelle von Annaberg bei Abtenau mehr als 20 Einzelfiguren des Meisters aus dem Zeitraum 1775/80.

 Sohn Joseph Dietrich führt die Werkstatt seit Beginn der 70-er Jahre, wohl aufgrund gesundheitlicher Probleme des Vaters. Offiziell übernimmt er sie nach dessen Tod 1786. Aus diesem Anlass wird eine Inventarliste erstellt, die die soliden Vermögensverhältnisse eines Handwerkerhausstandes aufweist: Besitz eines Wohnhauses mit Garten samt gediegener Innenausstattung und Werkstatt, dazu ein ansehnliches Barvermögen in Höhe von 1063 Gulden; damit ist die Familie gut situiert, besitzt aber keinen übermäßigen Reichtum. 1814 stirbt Joseph Dietrich, damit endet die Geschichte der Bildhauerwerkstatt auf der Brunnwiese.

Der Stil dieser Generation folgt der Münchner Hofkunst; er reduziert die barocke Üppigkeit und geht schon in den Klassizismus über.

Augen wie bei Ignaz Günther weist die Heilige Veronika oder Theresia aus dem Traunsteiner Heimathaus auf. In der Pfarrkirche von Haslach stehen die Bauernheiligen Isidor und Notburga aus seiner Hand am linken Seitenaltar. Auch die Siegsdorfer Pfarrkirche beherbergt einige Werke dieses letzten Bildhauers aus der Dietrich-Familie: einen Christus an der Säule (1780), sämtliche Figuren der beiden Seitenaltäre (1782/87), dabei die himmelwärts blickende Heilige Barbara (Bild 6), sowie eine Kreuzigungsgruppe (um 1780) beim Pfarrheim.

 Mit diesem Einblick in die barocke Bildhauerkunst im Traunsteiner Raum hofft der Vortragende, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die zahlreichen einheimischen Kunstschätze zu lenken. Dieses wertvolle Kulturerbe verdient mehr Beachtung, als es gemeinhin erfährt, und sollte mehr im Bewusstsein der Bevölkerung verankert sein.

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Madonna mit dem Kind von 1671 in der Abendmalkapelle am Salinenberg in Traunstein

Madonna mit dem Kind von 1671 in der Abendmalkapelle am Salinenberg in Traunstein

Altar der sieben Zufluchten von 1696 in der Pfarrkirche Grassau

Altar der sieben Zufluchten von 1696  in der Pfarrkirche Grassau

Heiliger Josef

Heiliger Josef

Prunkkanzel von St. Georg in Ruhpolding

Prunkkanzel von St. Georg in Ruhpolding

Immaculata mit dem Gesicht einer zeitgenössischen Schönen und im zeitmodischen Gewand (1766)

Immaculata mit dem Gesicht einer zeitgenössischen Schönen und im zeitmodischen Gewand (1766)

Heilige Barbara

Heilige Barbara

Albert Rosenegger bei seinem Vortrag im Sailer Keller

Albert Rosenegger bei seinem Vortrag im Sailer Keller