Gründungsgeschichte des Traunsteiner Stadtmuseums

oder

Was war vor dem Heimathaus?

 Vortrag von Franz Haselbeck
am 4. Okt. 2023
im Bräustüberl des Hofbräuhauses

zusammengefasst von Gudrun Perchermeier

 

Vor gut 100 Jahren, am 2. April 1923, öffnete das Heimathaus, das wir heute als Stadtmuseum kennen, seine Pforten. Die eigentliche Geburtsstunde eines historischen Museums der Stadt Traunstein schlug allerdings schon 50 Jahre früher:

Der Apotheker, Mineraloge, Sammler und Heimatfreund Josef Pauer (1819-1888) mahnte im Jahr 1873 die Gründung eines städtischen Museums an und stellte als Grundstock seine eigene umfangreiche Sammlung historischer Gegenstände zur Verfügung. Diese umfasste 44 Exponate aus dem Zeitraum von den Römern bis zur damaligen Gegenwart, darunter das bekannte Modell des Karl-Theodor-Sudhauses, gefertigt 1850 von einem Salinenarbeiter.

Josef Pauer
Josef Pauer

 

Trotz einer Zusage des Stadtmagistrats folgten den Worten erst 9 Jahre später Taten: Die Sammlung wurde im Gebäude der Pauerschen Apotheke eröffnet, Pauer kümmerte sich als erster Konservator darum. Nach seinem Tod 1888 zog das Museum in Räume des Rathauses um, wo es für über drei Jahrzehnte eine Heimstatt fand. Der Eintritt kostete 20 Pfennig, das entsprach etwa dem Preis einer Maß Bier. Die Leitung übernahm Heinrich Hiedl, der Marienapotheker.

1889 wurde der „Historische Verein für den Chiemgau zu Traunstein“ gegründet, der sich gemeinsam mit der Stadt um das Museum kümmerte. Die erste Frucht trug diese – bis heute - gedeihliche Zusammenarbeit 1890: Von der Witwe Pauers erwarb man um 5000 Mark dessen hervorragende Mineraliensammlung.

Ein wertvolles Stück fand leider keine Aufnahme in Traunstein: der „Schild des Heinz von Stein“. Dieses Prachtstück hat nichts mit der unhistorischen Gestalt des Raubritters zu tun, sondern wurde 1480 in der Steiermark zu Repräsentationszwecken gefertigt und kam auf ungeklärtem Wege in den Besitz des Burgherrn von Stein, Nikolaus de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg. Dieser war ein Gönner des jungen Traunsteiner Museums und wollte ihm das Kunstwerk vermachen. Dies wusste der Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, wo der Schild seit 1874 als Leihgabe bereits weilte, zu verhindern. Als Entschädigung erhielten die Traunsteiner eine Menge zweitrangiger historischer Gegenstände.

Schild des Heinz von Stein
Schild des Heinz von Stein

Bedeutender zur Entwicklung des Museums trugen die archäologischen Funde bei, die die Mitglieder selbst Anfang der 1890er Jahre durch Grabungen zutage förderten: Mosaikboden und Heizvorrichtung eines römischen Hauses in Erlstätt, Hügelgräber aus prähistorischer Zeit im Haidforst, Funde aus der La-Tène-Zeit, der vorrömischen Eisenzeit 450-15 v. Chr., am Beginn der Wasserburgerstraße. 1892 verfasste Museumsleiter Hiebl eine geordnete Übersicht der Gegenstände mit Wertangaben zu den jeweiligen Exponaten, die eine beachtliche Bilanz aufwies. Hier taucht der bekannte Palmesel mit Christusfigur auf. 1896 über nahm mit dem pensionierten königlich-bayerischen Offizier Andreas Riegel ein Mann der Tat die Museumsleitung. Bis kurz vor seinem Tod 1907 prägte er dessen Entwicklung entscheidend. Er sorgte für Neuordnung und Inventarisierung der Sammlung, für Renovierung und Verschönerung der Räume und für Neuaufstellung. Dabei nahm er die kostenlosen Dienste des Kunstmalers Theodor Riegel in Anspruch, offensichtlich eines Verwandten.

Neugestaltung durch den Maler Rieger
Neugestaltung durch den Maler Rieger

Seinen größten Erfolg feierte er wohl im Jahr 1900: Das Modell der Stadt Traunstein, das zwischen 1881 und 1889 der pensionierte Ministerialbeamte Friedrich Beck verfertigte, fand den Weg in die städtische Sammlung. Nachdem der Stadtrat den Antrag, es um 10 000 Mark zu kaufen, abgelehnt hatte, erwarb es die legendäre Höllbräuin Walburga „Wally“ Huber und schenkte es dem Museum.

1904 setzte der verdiente Hauptmann einen weiteren Akzent: Er kaufte die umfangreiche Waffensammlung des verstorbenen Justizrates Max Brunner an.

1914 übernahm Josef Angerer, der Sohn des bereits 1883 verstorbenen Zieglerwirts Anton Angerer, das Amt des Konservators. Er wurde zum „Vater des Heimathauses“, dem er durch sein Wirken den Weg bereitete. Seine Leistungen zu würdigen, sprengt an dieser Stelle den Rahmen – es gibt dazu einen Beitrag von Hugo Zumpf im Jahrbuch des Historischen Vereins 1990. Nur ein Beispiel soll zur Veranschaulichung dienen: Er erwarb 1916 die bekannte historische „Kneitingerküche“ (Bild 5) zum Preis von 1000 Mark. Sie enthielt 289 Gegenstände, vom kupfernen Waschschaff bis zum Kochbuch „Die bayerische Köchin“. Es handelt sich wohl um die Küche des ehemaligen Höllbäcks in der Höllgasse, dessen Tochter Helene Kneitinger diese Einrichtung als Altertumshändlerin verkaufte.

Josef Angerer
Josef Angerer

Am 2. April 1923 begann für das Stadtmuseum eine neue Ära: Das Heimathaus wurde eröffnet und der Generalkonservator des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Georg Hager, wies „von hoher Warte aus“ den Weg: „Richtig sammeln, schön gestalten, wahrhaft lebendig machen“. Diese Richtlinie gilt auch heute noch.