Des Königs „Kabinettsbefehl“ - und was aus ihm in Traunstein wurde 

Der 1889 gegründete Historische Verein für den Chiemgau zu Traunstein e. V.  Bekannte Traunsteiner Namen stehen in der Mitgliederliste der Gründungsversammlung des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein, die am 11. Februar 1889 im Nebenzimmer der damaligen Scheicherschen Brauerei, dem heutigen Brauhaus Wochinger, stattgefunden hat. Das zeigt schon, wie sehr dieser neue Verein in der Gesellschaft der Stadt verwurzelt war. Da liest man die Unterschriften des Bürgermeisters Hofrat Ritter Joseph von Seuffert, des Kaufmanns Franz Xaver Prandtner, der Landgerichtsdirektors Mayr, des Apothekers Heinrich Hiedl, des Bezirksarztes Dr. Geßele, des Buchdruckermeisters Anton Miller, des Glasermeisters Benno Werkmeister und anderer namhafter Traunsteiner, die den Verein mit ihrer Mitgliedschaft unterstützten.

Joseph Ritter von Seuffert (1849 – 1914), Hofrat, Bürgermeister  der Stadt Traun-stein von 1878 bis 1909,  Gründungsmitglied des Historischen Vereins.

Aber auch der Bürgermeister Dr. Georg Vonficht, die Heimatforscher Hartwig Peetz, Max Fürst, Dipl.-Ing. Josef Angerer, Prälat Dr. Rudolf Hindringer, Sepp Köstler, Josef Gmelch, Dr. Karl Hofmann, Dr. Georg Schierghofer und Alfred Mayer zählen zu den frühen Mitgliedern des Vereins. 

Ausgelöst hatte diesen „Boom“ der Bayernkönig Ludwig I., der mit seinem „Kabinettsbefehl“ vom 29. Mai 1827 seine Untertanen dazu aufrief, das kulturelle Erbe zu bewahren und nach Möglichkeit Sammlungen erhaltenswerter Objekte zu gründen. Es war dies die „Geburtsurkunde“ der Denkmalpflege und der Historischen Vereine in Bayern, wie es Dr. Alfred Kotter, Vorstandsmitglied des Vereins, in seinem Vortrag zum Auftakt des Jubiläumsjahres im Januar 2014 erläuterte. 

Der Aufruf des Königs stieß auch in Traunstein auf offene Ohren, hatte die Stadt doch trotz des verheerenden Stadtbrands von 1851 ihren Optimismus und den Willen zur Weiterentwicklung nicht verloren. Der rasche Wiederaufbau, bei dem zwar eine kontroverse Debatte um Abriss bzw. Wiederaufbau der historischen Stadttore geführt wurde, aber schon 1857 der Abschluss des Rathausneubaus im „gotischen Stil“ gefeiert werden konnte, ging einher mit der Eröffnung der Bahnlinie von Rosenheim nach Salzburg, dem Entstehen der Villenviertel und der Statuserhöhung der Stadt durch das Ausscheiden aus dem Bezirksamtsverband im Jahr 1876. Ein städtischer Generalplan für Baulinien (1891) wurde ausgearbeitet, Zweigbahnen nach Ruhpolding und Trostberg (1891 und 1894) entstanden, und mit Joseph Ritter von Seuffert gelangte ein „rechtskundiger“ Bürgermeister an die Spitze der Stadt, deren Einwohnerzahl von rund 2000 (1851) auf über 7000 (1905) gestiegen war - auch das ein Indiz für die rasante Entwicklung Traunsteins im ausgehenden 19. Jahrhundert. 

Dem Aufruf des Königs folgend, begannen heimatkundlich interessierte Bürger, historisch interessante Gegenstände aus der Stadt und dem Chiemgau zusammenzutragen. Wenn auch diese erste Sammlung dem Stadtbrand von 1851 zum Opfer fiel, ließen sich die Protagonisten, allen voran der Stadtapotheker Joseph Pauer, nicht entmutigen und sammelten weiter, wofür Pauer in seinem Haus Räume zur Verfügung stellte. In seinem Gesuch um „Durchführung der Inventarisierung der Baudenkmäler Bayerns“ an das Kgl. Landbauamt Traunstein wurde Pauer, der sich mit seinen Sammlungen und Forschungen - zunächst auf naturwissenschaftlichem Gebiet, dann auch Stadt- und Kulturgeschichte - einen Namen weit über Traunstein hinaus gemacht hatte, bereits 1882 als Vorstand des historischen Vereins bezeichnet; der allerdings sollte erst sieben Jahre später gegründet werden. Pauer durfte diese Gründung nicht mehr erleben, er starb am 15. Januar 1888 im Alter von 69 Jahren. 


Die Pauersche Sammlung als Grundstock für das Museum
 

Seine Sammlung hatte er 1882 der Stadt Traunstein geschenkt, und schon damals war im Magistratsprotokoll vom 6. Juni vermerkt, dass die „Gründung eines Zweigvereins des historischen Vereins“ geplant sei. Die Pauersche Sammlung blieb zunächst in den Räumen der Apotheke, bis 1884 auf Initiative von Bürgermeister Joseph Ritter von Seuffert sowie der Apotheker Joseph Pauer und Heinrich Hiedl das städtische Museum begründet und 1888 im Rückgebäude des neuen Rathauses untergebracht wurde. 

Damit war sozusagen der Boden bereitet für die Gründung eines historischen Vereins, wozu sich die Initiatoren am 1. Februar 1889 im Hutterschen Nebenzimmer (dem späteren Hofbräuhaus) trafen. Dabei ersuchte Bürgermeister von Seuffert die Anwesenden, „zur Konstituierung eines Bureaus zu schreiten; per Acclamation werden hierauf gewählt: Herr Landgerichtsdirektor Mayr als Vorsitzender, Herr Prandtner, Kaufmann, als Schriftführer“. Der Apotheker Heinrich Hiedl hatte bereits die Statuten ausgearbeitet, er wurde dann auch zum 1. Vorstand einer provisorischen Vorstandschaft gewählt, 2. Vorstand wurde Landgerichtsdirektor Mayr, Kassier der Kaminkehrermeister Progino und Schriftführer der Kaufmann Prandtner. Neben Seuffert gehörten auch die Pfarrer der umliegenden Pfarreien Hart, Chieming und  Vachendorf als Beisitzer zum Vorstand.

Johann Joseph Pauer (1819 – 1888). Seine Sammlung bildete den Grundstock für die musealen Bestände des Heimathauses.

Die Bedeutung des Umlandes war auch im § 13 der Satzung verankert: „Zur Vertretung der Vereinsinteressen ist in größeren Orten aus dortigen Mitgliedern je ein Pfleger vom Ausschuße zu bestellen.“ Gleichzeitig erging ein Aufruf an die Pfarrer im Einzugsgebiet, dass diese „aufgrund ihrer Stellung und Bildung“ für die „geeignetsten Persönlichkeiten gehalten“ werden. Die Pfleger hatten für den Verein zu werben, historische Objekte vor Zerstörung und „Verschleppung“ zu bewahren und archäologische Funde zu melden. 

Zu den Aktivitäten des Vereins zählten umfangreiche Grabungen, so bei bronzezeitlichen Hügelgräbern im Haidforst, bajuwarischen Reihengräbern in Eging bei Taching und Hörpolding sowie aus der Römerzeit in Seebruck (Steine mit Inschriften), Eglsee (landwirtschaftliche Geräte) und Erlstätt (Villa). Außerdem wurden durch Zukauf Grabungsfunde von Privatpersonen erworben, wie 1893 vom Bäckermeister Peter Lichtenecker aus Oed bei Hammerau, dem der Verein den Betrag ratenweise übermittelt hatte. 

Die Ausgrabungen von Seebruck bilden einen wichtigen Teil der Aktivitäten des Traunsteiner Vereins, für den kurz nach dem Ersten Weltkrieg ein neues Kapitel aufgeschlagen wird: Die Mutter des früh verstorbenen Architekten und Heimatforschers Josef Angerer (1882-1918), Elise Angerer, schenkte mit notarieller Urkunde vom 19. März 1919 das alte Zieglerwirtshaus der Stadt „zu Eigentum für Zwecke des städtischen historischen Museums“, das darin 1920 seinen endgültigen Platz fand, zwischenzeitlich erweitert um die Räume des anliegenden spätgotischen Stadtturms, volkstümlich „Brothausturm“ genannt. Josef Angerer hatte sich als Kustos um das Museum und den historischen Verein große Verdienste erworben, er gründete 1913 die Zeitschrift „Heimatbilder aus dem Chiemgau“, in dem auch die bis 1903 in Heftform gedruckten Jahresberichte erschienen. 

Josef Angerer (1882 – 1918). Der seit gemeinsamen Studientagen mit ihm befreundete Münchner Architekt und Grafiker Klemens Thomas (1884 – 1914) entwarf 1911 für den Historischen Verein einen Mitgliedsausweis. (Original Sammlung Josef Parzinger, Traunstein) Nachfolger Angerers als Kustos wurde der Apotheker Hanns Pauer, der Verein setzte sich für den museumsgerechten Ausbau des Hauses ein, worüber es allerdings nur spärliche Aufzeichnungen gibt. „Ab 1926, bis zum Ende des 2. Weltkrieges fehlen sie auch über die sonstigen Tätigkeiten des Vereins“, schreibt die damalige Vorsitzende Hanna Bauer in ihrer Geschichte zum 100-jährigen Vereinsbestehen 1989.

Mitgliesausweis von 1911Josef Angerer (1882 – 1918). Der seit gemeinsamen Studientagen mit ihm befreundete Münchner Architekt und Grafiker Klemens Thomas (1884 – 1914) entwarf 1911 für den Historischen Verein einen Mitgliedsausweis. (Original Sammlung Josef Parzinger, Traunstein) 

1933 war eine andere, eine unheilvolle Zeit angebrochen, und ab dieser Zeit durften die „Heimatblätter aus dem Chiemgau“ nicht mehr als eigenständige Zeitschrift erscheinen. Sie wurden nunmehr in vereinfachter Form als Beilage zu einer der hiesigen Tageszeitungen herausgebracht: „Sie erscheinen jetzt als Beilage zum ‚Traunsteiner Tagblatt‘. Die Mitglieder des Vereins erhalten sie als Sonderdruck. Wenn auch die frühere Form der Zeitschrift verschwunden ist, geblieben ist der alte Geist, der sie seit Angerers Zeiten belebt“, heißt es dazu im Vorwort. Diese Zeit machte es auch notwendig, die Objekte des Museums angesichts der düsteren Zukunft sicher zu verwahren. So haben im Zweiten Weltkrieg der damalige Vorsitzende Georg Grainer und der Kustos Josef Sollinger auf den Rat des heimatgeschichtlich sehr interessierten Stadtarbeiters Sepp Köstler unter Geheimhaltung einen Teil der Museumsbestände in den Ehrengrüften unter der Aussegnungshalle des neuen Friedhofs ausgelagert, und die Bibliothek brachten sie in der Ettendorfer Kirche in Sicherheit. 

Wiederzulassung des Historischen Vereins seitens der Militärregierung, 7. Februar 1946.

 

 

 

 

 

 

 

Schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg bemühten sich Traunsteiner Bürger um die Wiederzulassung des Historischen Vereins. Bürgermeister Berger unterstützte dies mit einem Gesuch an die Militärregierung am 6. Februar 1946 (Auszüge): „… Es will der Verein aber vor allem die Kunstdenkmale und die Altertümer erhalten helfen und die Sammlung des Heimatmuseums konservieren und erweitern. … Er sollte jetzt vor allem das Heimathaus wieder instandsetzen und die zum Teil in Kisten untergebrachte Sammlung wieder zur Schau stellen. … Der Verein hat sich nie mit Politik befasst. Weil dem Verein vor allem Leute angehören, die kirchlich gesinnt waren und am Althergebrachten festgehalten haben, war es für die Männer der letzten 12 Jahre ein verdächtiger Verein.“ 


Gründung der „Stiftung Heimathaus“ 1951
 

Die eidesstattliche Erklärung vom 25. März 1946, dass „die Mitgliedschaft des Vereins … von Nazi-Aktivisten gesäubert“ ist und auch künftig keine solchen aufgenommen würden (unterschrieben von Georg Grainer und Karl Merkenschlager), hatte offenbar überzeugt, und so war der Historische Verein für den Chiemgau zu Traunstein e. V. wieder ins Leben gerufen. Der Verein und sein  Vorsitzender, der Augenarzt Dr. Jaeger, traten 1951 mit dem Vorschlag an die Stadt heran, eine „Stiftung Heimathaus“ zu errichten, was bei der Stadt auf Zustimmung fiel. Demnach besteht das Stiftungsvermögen aus dem Ziegleranwesen und dem Brothausturm mit Inventar, Sammelstücken und Büchern. Der Historische Verein brachte sämtliche weiteren Sammelstücke und Bücher seiner Bibliothek ein. Dass diese Gründung genau 100 Jahre nach dem letzten Stadtbrand erfolgte, mag ein Zufall gewesen sein, ein markantes Datum ist es auf jeden Fall. Dem Stiftungsvorstand gehören kraft ihres Amtes der Oberbürgermeister und der Stadtkämmerer sowie der Vorsitzende des Historischen Vereins an, Vorsitzender dieses Vorstands ist bis dato der jeweilige Vereinsvorsitzende. 

Die historische Zieglerwirtsstube mit ihrem alten Mobiliar ist seit 1920 Versammlungsraum für Vorträge und andere kulturelle und heimatgeschichtliche Veranstaltungen, seit etwa Mitte der 1990er Jahre ist das Heimathaus mit einem hauptamtlichen Leiter besetzt. Wenn sich auch durch die Gründung zahlreicher historischer und heimatkundlicher Vereine in den Gemeinden des Chiemgaus der Schwerpunkt des Traunsteiner Historischen Vereins mehr auf die Stadt konzentriert, bildet der Kontakt zu diesen Vereinen eine wichtige Basis der Aktivitäten. So wurde bei der Gründung des Heimat- und Geschichtsvereins Bedaium Seebruck festgelegt, dass der Vorsitzende des Traunsteiner Vereins dem Vorstand von Bedaium angehört. Gegenseitige Mitgliedschaft soll die Zusammenarbeit weiter stärken. 

Eine starke Säule des Vereinslebens sind die Vorträge zu historischen Themen, die in regelmäßiger Folge von September bis März jeweils einmal monatlich stattfinden, wobei der Februar der Jahreshauptversammlung vorbehalten ist. 

In der übrigen Jahreszeit stehen Exkursionen auf dem Programm, so zu historisch und kulturhistorisch interessanten Zielen in der Umgebung, außerdem zu beachtenswerten Ausstellungen, wie den vom Haus der Bayerischen Geschichte präsentierten Bayerischen Landesausstellungen.

 Die historische Zieglerwirtsstube, fotografiert von Anton Grainer, 1926

Der Max-Fürst-Preis 

Der Heimatforscher Max Fürst ist der Namensgeber des seit 2002 ausgelobten Preises für verdiente Heimatforscher, der mit einem namhaften Geldbetrag ausgestattete Max-Fürst-Preis, der in einem feierlichen Rahmen jährlich jeweils an eine verdiente Persönlichkeiten der Stadt und des Chiemgaus vergeben wird. Außerdem gibt es einen vom Landrat des Landkreises Traunstein ausgestatteten Jugendpreis, mit dem Schüler und Schülerinnen aus Schulen des Chiemgaus und des Rupertiwinkels für herausragende Arbeiten zu historischen Themen ausgezeichnet werden. 

Das Heimathaus wird als Ausstellungsort immer beliebter. Im ehemaligen Vorgeschichtsraum im Erdgeschoss, der seit 2013 auch barrierefrei erreichbar ist, präsentieren unterschiedliche Aussteller ihre Objekte, natürlich tritt auch das Heimathaus selbst mit Präsentationen an die Öffentlichkeit. Die Sammlungen des Museums sind inzwischen erweitert worden um eine reichhaltige Spielzeugsammlung sowie eine Präsentation alten Handwerks. Mit seinem Raumangebot stößt das 1572 erstmals urkundlich erwähnte Zieglerwirtsanwesen an seine Grenzen, dem Historischen Verein und der Stadt obliegt es nun, Platz und Platzbedarf einander anzugleichen. 

Die bisherigen Vorsitzenden des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein e. V.: 

1889-1900     Heinrich Hiedl, Apotheker
1900-1905     Andreas Riegel, Kgl. Hauptmann a. D.
1905-1907     Eugen Zink, Professor
1907-1911     Hans Albrecht, Vorstand der Landwirtschaftlichen Winterschule
1911-1914     August Maier, Gymnasiallehrer
1914-1942     Heinrich Lamprecht, Rektor
1942-1951     Georg Grainer, Fotograf
1951-1961     Dr. Ernst Jaeger, Augenarzt
1962-1981     Hans Habersetzer, Stadtbaumeister a. D. 
1981-1985     Theo Hetzner, Stadtkämmerer a. D.
1985-1993     Hanna Bauer, Fachoberlehrerin a. D.
1993-2012     Alfred M. Maier, Dipl.-Ing. Architekt
2012-2022     Hans Helmberger, Journalist, Redakteur i. R.
seit 2022        Gernot Pültz, Journalist und Historiker


Ehrenmitglieder:

Helmut Kölbl
Werner Paul Hellmuth
Fritz Stahl
Götz von Dobeneck
Herbert Klein
Dr. Alfred Kotter
Hans Helmberger

 


Quellen:
Festschrift „100 Jahre Historischer Verein für den Chiemgau zu Traunstein“ 1889-1989, hier: HANNA BAUER, „Aus der Vereinsgeschichte“; 
DR. ALFRED KOTTER, „Die Gründung des Historischen Vereins für den Chiemgau zu Traunstein“; (Vortrag am 24. Januar 2014 in der Zieglerwirtsstube des Heimathauses);
ANTON KASENBACHER, „Traunstein - Chronik einer Stadt in Wort und Bild“, Grabenstätt 1986; 
“Der Traunsteiner Stadtplatz“, Rosenheim 1999, hier: JÜRGEN EMINGER: Das Heimathaus bewahren und erinnern“;
Akten des Stadtarchivs Traunstein.
Falls nicht anders vermerkt, befinden sich die Originale aller Abbildungen in den Sammlungen des Stadtarchivs Traunstein.  

Hans Helmberger